Sowohl in landschaftsökologischer wie kulturhistorischer Sichtweise stellen
die Wehlen echte Besonderheiten der Marschen der schleswig-holsteinischen
Westküste dar. Gerade der Bereich nördlich von Büsum ist, neben dem Gebiet
zwischen Bredstedt und der Wiedingharde in Nordfriesland, der Raum mit den
meisten Wehlen an der gesamten Westküste. Da Wehlen sonst weltweit in dieser
Form nicht vorkommen, können sie mit Fug und Recht als ein weltweit
einzigartiges Kultur- und Naturerbe bezeichnet werden.
Die Entstehung einer Wehle ist auf Deichbruch zurückzuführen. Bei einem
Deichbruch wird zunächst durch überlaufende Wellen die steilere Innenberme
durch Rutschungen zerstört. Dann bricht der Deich auch an der Außenberme,
die Überlaufstelle des Wassers liegt zunächst noch hoch. Das wasserfallartig
durch die Lücke im Deich schießende Wasser sägt in rückschreitender Erosion
ein immer größeres Loch in den Deichkörper. Gleichzeitig wird aus dem
aufgeweichten Boden an der Deichinnenseite durch das Wasser, das mehrere
Stunden mit einer Fallhöhe von einigen Metern herabströmte, ein tiefer Kolk
von meist runder bis ovaler Form herausgespült.
Wenn die betroffenen Landbesitzer die Lücke im Deich wieder schlossen, wurde
die entstandene Wehle meist auf der seewärtigen Seite umdeicht, um den
tiefen Kolk im Deichaußenbereich zu vermeiden.
Als Gewässer stehen die Wehlen zwischen Seen und Weihern. Tiefer Schlamm
nimmt ihren Grund ein. Im Sommer ist das Wasser durch die
Planktonentwicklung getrübt. Im Winter sind die Lebensbedingungen nur in den
tiefsten Wehlen günstig, in ihnen können z. B. Barsche, Zander und Karpfen
gedeihen. In den flachen Wehlen kommt es bei Eisbedeckung leicht zu
Sauerstoffzehrung und Fischsterben. Einige Wehlen können jedoch sehr tief
sein. Sie reichen dann in sandige Schichten des Untergrundes hinein, die
salziges Druckwasser (Qualmwasser) führen. In diesen Brackwasserwehlen
findet salztolerante Vegetation bis weit in das Binnenland hinein einen
Lebensraum.
In manchen Wehlen findet sich eine einzigartige
Brackwasserlebensgemeinschaft mit dem planktonfressenden Krebs Neomysis, dem
räuberischen Krebs Palymonetes, dem Brackwasserpolypen Cordilophera und der
Alge Chrysochromolina. Es handelt sich um eine eigene Lebensgemeinschaft.
Bedingung für ihre Existenz ist ein gewisses Quantum an Seewasser, so daß
die Salinität zwischen 2 - 8 %0 liegen kann.
Einige Wehlen sind heute schon verlandet und nur noch als feuchte Stellen,
um die der Deich eine Krümmung macht, zu erkennen.
Häufig sind die Wehlen, die oft linienhaft einen alten Deichverlauf belegen,
durch Gräben miteinander verbunden bzw. an das Vorflutersystem
angeschlossen, so daß von daher ein Wasser- und Organismenaustausch besteht. |